10.09.2019: Die letzten Km in Asien

2019-09-10 4 Von Christoph

Unsere Route durch die westliche Türkei

Wer Göreme besucht sollte sich auch etwas Zeit nehmen das Umland zu sehen und zu genießen. Zunächst mal gibt es im Südosten Kappadoziens noch einige „Underground Cities“, was zwar etwas übertrieben ist wenn man für eine Stadt unsere Größendimensionen annimmt. Trotzdem sind die Wohnhöhlen von Kaymakli oder Derinkuyu, die bis zu 14 Stockwerke in die Tiefe reichen, beeindruckend und man muss schon gegen Platzangst gefeit sein um das geniessen zu können. Man staunt welche Kenntnisse über Belüftungstechnik, Schall (zur Verständigung über „Flüsterschächte“) und Lebensmittellagerung vorhanden waren oder entwickelt wurden um sich in der Erde verstecken und überleben zu können.
Von Kappadozien aus verlief unsere Route nach Westen, zuerst knapp 300 km fast geradlinig und auch eben dahin wie in den kanadischen Prairien bis zur nächsten Großstadt Konya, südlich von Ankara. Kein Wunder, auf dieser „Durststrecke“ gibt es seit dem 11. Jahrhundert eine große Karawanserei, namens Sultanhani. Es ist eine wuchtige Burg, die den frühen Reisenden Schutz und Obdach bot sowie Gelegenheit, Informationen und Waren auszutauschen.
Wir machten Station in einem kleinen Hotel gleich gegenüber und der Wirt erzählte uns dass heutzutage täglich 3 – 4000 Besucher „durchgeschleust“ werden, nicht nur durch die Karawanserei sondern auch durch die wenigen Souvenirläden davor. Die Hälfte davon seien chinesische Touristen.

Konya beeindruckte mit der Sultan Selim Camii Moschee, dem Mevlana Museum sowie der architektonisch filigran wirkenden Aziziye Moschee. Die Stadt scheint sehr konservativ islamistisch zu sein, nirgendwo sonst schallten uns soviele Muezzin-Gesänge gleichzeitig entgegen.

Westwärts von Konya wurde es wieder hügelig, wir durchquerten den türkischen „Lake District“, kein offizieller Name, habe ich angelehnt an der Region im Nordwesten Englands. Nur alles ein bisschen größer. Besonders hervorheben will ich da den Ergirdir See, an dessen Südecke wir in der gleichnamigen Stadt Egirdir einen Ruhetag einlegten und die ersten Nachsaisontage genossen.
Auch in dieser Region wurden wir von vielen Deutsch-Türken angesprochen, die gerade ihren Jahresurlaub in der alten Heimat verbringen oder die Heimat der Vorfahren besuchten. Stets gab es nette Gespräche, Einladungen zum Tee, Empfehlungen für Besichtigungen oder einfach das Angebot helfen zu wollen. Mit unserem Auftreten, der auffälligen Ausrüstung und schließlich dann der Erläuterung unseres „Reiseprojektes“ war es kein Wunder dass wir viel Aufsehen hervorriefen.
Wir suchten wenn möglich Nebenstrecken, eine Dorfdurchfahrt bleibt uns in besonderer Erinnerung: Den Ort namens Balci erreichten wir kurz vor Mittag, einige Fotomotive hielten uns auf und innerhalb kurzer Zeit wurden wir gleich dreimal eingeladen. Zuerst zum Tee, dann zu einem Essen anläßlich der Beschneidungsfeier eines Buben aus dem Ort und schließlich noch zu einem Kaffee in das Haus eines Türken der viele Jahre in Frankreich gelebt hat. Es sind eindrucksvolle und abwechslungsreiche Erlebnisse, aber an diesem Tag mussten wir schauen dass wir unser Tagesziel überhaupt noch erreichen konnten.
Das Highlight dieser Seenlandschaft ist allerdings der Salda See, in Reiseführern „Malediven der Türkei“ genannt. Die türkisschillernde Farbe des Wassers, umrahmt von weißem Strand (zwar kein Sand aber sehr sehr feiner weißer Kiesel) vermitteln tatsächlich ein solches Bild. Das Ufer ist erstaunlicherweise kaum besiedelt, wir hatten Glück in einer der wenigen Pensionen unterzukommen. Sehr bescheiden zwar, aber urgemütlich im Garten und die Vermieterfamilie war ungemein nett. Die Oma verwöhnte uns mit Gözleme (crepe-ähnliche Pfannkuchen) und die Hühner pickten uns die Reste aus den Händen. Saugemütlich hoit, Ibo düste mit ihrem Elektronen-Antrieb noch ins nächste Dorf um die Getränkekarte zu ergänzen (mit schwarzem Plastikbeutel), während Franz und ich den Karibikstrand und das blaugrüne Wasser testeten.
Leider hatte Ibo in diesen Tagen auch Pech mit ihrem Radl, innerhalb weniger Tage sammelte sie Dornen und Scherben für insgesamt acht Plattfüße, auch ein Speichenriss kam dazu. Manchmal platzten auch einfach die Schläuche auf, wie sagte doch einer aus dem Radlgeschäft beim Ersatzkauf: „Turkish Quality“…. allerdings sagte er das nicht mehr als ich weitere zweimal zurückkam, kaum dass der neue Schlauch montiert war.
Zwischenzeitlich habe ich Ersatz in D bestellt („German Quality“)und Franz‘ Frau Eve wird diesen in wenigen Tagen mitbringen.

Pamukkale – Hierapolis: Trotz vieler schöner Erlebnisse auf Nebenstrecken, unser nächstes Hauptziel sind die Sinterterrassen von Pamukkale, mit der historischen Stätte Hierapolis, einer Stadt die im 2.-3. Jahrhundert nach Christus den Römern als Bade- und Erholungsort diente. Erholung hatte ich auch dringend nötig, die lange Tagesetappe (106 km) vom Saldasee über einige Bergstrecken nach Pamukkale hat mich gscheit geschlaucht, da kam der Sightseeing-Tag gerade recht.
Barfußwandern über die Kalkablagerungen, die Füße ins lauwarme mineralhaltige Wasser strecken, da war es dann zwar auch anstrengend, durch die alte Römersiedlung zu laufen und zum großen Amphitheater hinaufzusteigen, aber trotzdem geht der Tag als Ruhetag durch… Wir waren sehr beeindruckt von dieser Theater-Anlage, seinem guten Zustand, seiner Größe (für 15.000 Menschen) und der hervorragenden Akustik.

Ephesos: Nur knapp 200 km weiter westlich, bei dem Städtchen Selcuk und nur wenige km vom Ägäischen Meer entfernt liegt eine der wohl berühmtesten Siedlungen der Geschichte: Ephesos (Türkisch Efes). Schon 1000 Jahre v. C. siedelten hier ionische Griechen und im Zeitraum des nächsten Jahrtausends wurde die Stadt immer wieder erobert und fand neue Herrscher. Einer davon war auch Alexander d. Große, der die Stadt 334 v. C. von der Perserherrschaft befreite.
Zu seiner Blütezeit im 2. Jahrhundert n. C., unter der Herrschaft Roms, war Ephesos Hauptstadt der römischen Provinz Asia und es lebten 300.000 Menschen hier. Im 3. Jahrhundert wurde Ephesos durch mehrere Erdbeben beschädigt und schließlich vollständig zerstört so dass es über viele Jahrzehnte unbewohnbar war. Vom 4. Bis zum 14. Jahrhundert waren Ephesos und Selcuk unter byzanthinischer Herrschaft, dann unter osmanischer. Soweit nur ein ganz kurzer Abriss der Geschichte dieses Ortes.
Eine tiefergehende Beschäftigung mit dieser Geschichte wäre sicherlich sehr spannend.
Für Ibo und mich war es schon ein besonderes Wiedersehen, wir waren auch hier bereits vor 32 Jahren, damals mit unserer eineinhalb-jährigen Daniela, die auf den glatten Platten dieses geschichtsträchtigen Ortes das Laufen lernte.

Zwei Radltage später erreichten wir Cesme, einen der westlichsten Häfen der Türkei, von hier ist es nur ein Katzensprung mit der Fähre hinüber nach Chios. Wir müssen die Überfahrt aufs griechsiche Festland auf zwei Etappen machen, weil es keine Fähren in dieser Region gibt die direkt von der Türkei nach Piräus oder einen anderen Haupthafen fahren.
Den ersten Sprung haben wir hinter uns, seit heute wird wieder in EUR bezahlt….

Kleine Zusammenfassung Türkei:

Nach China war die Türkei das Land in dem wir die meisten km gefahren sind, ca 2400 von der Einreise bei Sarpi/Georgien bis nach Cesme zur Fähre nach Chios. 1280 davon ist Ibo jetzt schon mitgeradelt und es ist schön dass sie dabei ist. Wir haben die Türkei kennengelernt als ein Land mit unglaublich hilfsbereiten und herzlichen Menschen, die stolz sind auf ihr Land, sogar wenn sie in Deutschland geboren sind und einen deutschen Pass haben. Die Türkei bietet eine ungeheure Weite und abwechslungsreiche Landschaft, gemütliche Kleinstädte und Dörfer, überlaufene Touristenzentren (in die wir lieber gar nicht gefahren sind), aber vor allem eine äußerst vielseitige und langandauernde Kulturgeschiche mit vielen vielen gut erhaltenen Zeugnissen dieser Blütezeiten.
Mit unseren Radeln konnten wir tief blicken und nah an die Menschen herankommen. Was man im Rahmen einer solchen „Durchreise nach Hause“ nicht auf die Reihe bekommt, man kann nicht jede Kulturstätte oder auch landschafltichen Höhepunkt mitnehmen, da ist man mit den Rädern zu langsam und unbeweglich. Selbst ein Umweg von 20 oder 30 km von der geplanten Route führt dazu dass man sein Tagesziel nicht mehr erreicht.
Ein Grund mehr, ein Land wie die Türkei (oder auch Georgien) nochmal zu bereisen, dann mit dem Pickup-Camper.

Und noch ein Anliegen:

Jetzt noch – kurz bevor Ibo und ich alleine weiterradeln – ein paar Worte zu Franz und unserer gemeinsamen Zeit: Die Umstände wie es zu seiner Beteiligung an der Tour kam, hat Franz ja in seinem Blog-Beitrag gestern schon dargestellt. Ebenso die Beweggründe, die Freude am Erleben, das Kennenlernen von Menschen und vieles mehr. Ich kann ihm nur beistimmen.
Es war super, Franz, Dich als Partner dabei zu haben. Wir haben uns „zusammengerauft“ wie man auf bayrisch sagt. Wir haben uns ergänzt, uns geholfen, gemeinsam gelitten und gemeinsam gelacht, uns gemeinsam gefreut aber manchmal auch geärgert, auch mal übereinander . Aber wir waren ein super Team und hatten den größtmöglichen Erfolg.
Für Dich, Franz, war es wahrscheinlich nicht immer einfach, oft auf mich warten zu müssen, da sind unsere körperlichen Fähigkeiten doch etwas zu unterschiedlich. Aber das hast Du ohne jedes Murren gemacht, ein großes Danke auch dafür.
Es war pfundig mit Dir.
Ich wünsche Dir und Eve noch weitere schöne Wochen in Eurem Womo, vielleicht zieht es Euch ja doch gleich ein paar km hinüber in die Türkei.

Schaut’s Euch die Bilder zum Text an: Türkische Seen- und Kulturlandschaft