08.05.2019 Bye-bye China

2019-05-08 8 Von Christoph

Am zweiten Tag in den Dünen über dem Mondsichelteich war das Wetter zwar etwas besser, aber so richtig einen kitschigen Sonnenuntergang gab es auch nicht. Trotzdem wars schön da oben. Ich saß lange an einer guten Stelle etwas abseits, hatte eine Brotzeit dabei, Wurst und Käs und a Stückl Brot dazu…. natürlich auch a Bier. Nach einiger Zeit gesellte sich ein junger Mönch zu mir, fragt ob er sich setzen dürfte und beäugt mich so von der Seite. Schließlich kam er recht flott zur Sache: Alkohol sei nicht gesund und würde die Sinne vernebeln, man sei nicht mehr Herr seiner Entscheidungen usw. und so fort. Außerdem, warum ich denn nicht Vegetarier sei? Fleisch und Wurst seien keine gute Nahrung…. Kurz, er hat mich bald aufgeregt, da bin ich a Stückl weggerutscht, er hat mir nämlich auch noch den Blick auf den Teich in der Wüste verstellt. Aber lustig wars doch, wie ich ihm verklickert habe, dass es mir schmeckt und außerdem das Bierbrauen eh von Mönchen erfunden und entwickelt wurde. Da war er dann ruhig und hat weiter meditiert.

Am nächsten Tag war der Plan bis Liuyuanzheng zu fahren, gute 120 km. Bis dahin kam nämlich nichts, nur ein kleines Dorf, mehr eine Fernfahrerraststätte, nach knapp der Hälfte einer über 100 km komplett gerade verlaufenden Strecke.

Diese ersten 50 km bis Xihu waren gut zu fahren, gebremst vom schräg daherkommenden Gegenwind halt, aber auf guter Straße. Gleich neben mir, auf der „richtigen“ Seite, damit der Staub in die andere Richtung wehte, wurde eine zusätzliche Fahrbahn gebaut. Also gab es viel Baustellenverkehr, trotzdem war es noch ok. Die Mittagsnudeln in der Fernfahrerkneipe waren köstlich, wenn man von dem unglaublichen Geschlürfe der fahrenden Kollegen absieht. Einige wollten ein Foto, der ganze Raum hat nur über mich geredet.

Danach wurde es kritisch: Die Straße verkam total zur Baustelle, der gesamte Baustellenverkehr war plötzlich auf der „guten“ Seite, die alsbald kollabierte. Streckenweise, so halb und halb, gab es keine Fahrbahn mehr, nur Schotter. Der Wind verstärkte sich und es war stellenweise unmöglich zu fahren. Etwa 15 km legte ich noch drauf, dann hielt ich einen Pickup an und fragte um Mitnahme. Zwei junge und ein alter Mann hatten gerade in Dunhuang einen nagelneuen Pickup abgeholt und jagten ihn nun über das Wellblech und die Bodenwellen. Ständig drehte ich mich um, ob mein Radl noch da ist.

Bald erreichten wir die Provinzgrenze von Xinjiang, die erste Kontrolle war noch harmlos, nur kurz ein Blick in den Pass. Bei der nächsten wurde es kritisch. Extrem detaillierte Überprüfung, warum ich denn ein Arbeitsvisum habe, ob ich hier arbeiten würde. Natürlich nicht, ich bin auf Urlaubsreise….. aber ich habe halt das Arbeitsvisum, weil ich zuvor in China gearbeitet habe. Meine Fahrer taten mir leid. Wegen mir mussten sie eine gute Stunde warten. Dann wurde entschieden, dass mich die Polizei bis nach Hami bringen würde, gute 200 km! Zu meiner Sicherheit, war die Auskunft. Das sah dann so aus, dass ich dreimal von einem Pickup auf den nächsten umsteigen und alles umladen musste. Ordnung muss sein, die Polizisten haben mich halt stets an den Grenzen der Zuständigkeit dem nächsten Trupp übergeben. Die Spitze war dann, dass ich 5 km vor dem Hotel, an der Stadtgrenze, abgeladen wurde und die „Städter“ kein Fahrzeug hatten, um mich zum Hotel zu bringen. Ich schlug vor ich könne selbst fahren…. Nach einiger Diskussion wurde das genehmigt, aber nur in Polizeibegleitung mit einem Motorrad. Das habe ich dann fotografiert, musste die Bilder aber wieder löschen.

Am Hotel dann ein weiterer Trupp, hat schon auf mich gewartet. In Xinjiang ist jedes Gebäude mit Personenscannern versehen, da muss jeder durch… aber ein Radl? Schwierig. Ich bestand darauf, es muss in das Hotel. Nach einiger Zeit ließ sich auch das erledigen, ich war auf meinem Zimmer, das Radl, ungescannt, in einem sicheren Hinterhof.

Am nächsten Tag wollte ich Hami erkunden. Die Stadt ist berühmt für ihre Honigmelonen, leider ist Frühjahr, es gibt noch keine in diesem Jahr. Der Ort war dann nicht so besonders, kein Vergleich zu den Oasenstädten in der Provinz Gansu. Alles abgeschottet, mit Stacheldraht gesichert, bei jedem Betreten eines Gebäudes wird man gescannt, sogar in den Fastfood-Läden. Ich versuchte nicht aufzufallen, es gelang einigermaßen. In einem Radlladen ließ ich mich beraten, welche Strecke denn am besten zu befahren wäre. Die G312, die Hauptstraße also….

Ich wollte die 330 km bis Shanshan, der nächstgrößeren Stadt in drei Tagen bewältigen, der erste war noch einigermaßen gut, ich konnte komplett auf Nebenstraßen fahren, aber nach 82 km, vor dem Ort Sandaoling, wurde ich wieder „gesichert“. Es gab die üblichen Diskussionen, sogar der Polizeichef aus der nahen Stadt wurde herbeigerufen, um zu entscheiden was mit mir zu tun sei. Die letzten 8 km zum Hotel radelte ich dann mit Polizeieskorte. Die Polizisten waren sehr behilflich beim Einchecken, Gepäck aufs Zimmer tragen, Beratung wo man essen könne…. Der kleine Ort ist komplett uigurisch bevölkert. Man sieht, dass sich hier der Staat nicht in die Stadtentwicklung „einmischt“. Bei meinem Abendrundgang war ich der „vom anderen Stern“, und wurde ungeniert angeglotzt. Ich kaufte hier Brot, da Obst, dort Getränke und aß in einem Restaurant als einziger Gast.

Am nächsten Morgen dann bließ schon früh ein heftiger Wind. Die Rezeptionsdame warnte mich vor dem Weiterfahren, dann wollte sie mich aus der Stadt zur nächsten Polizeistelle geleiten mit ihrem Privatauto. D’Hauptsach‘ weg is er. Auf halbem Weg entschied ich mich doch einen Bus zu nehmen und bat sie mich zur Busstation zu geleiten. Das war dann Anlass für zweistündige Diskussionen mit Polizei und Busfahrer wegen dem Radltransport. Sogar mit schriftlicher Bestätigung der Polizei wollten die Busfahrer mich nicht mitnehmen. Diese zu holen musste ich mit auf die Polizeidienststelle und so nach und nach kamen beinahe alle um mich zu begaffen. Irgendwann war ich es leid, ich sagte, schaut, der Wind lässt nach, ich radle weiter. Wohl froh, dass das Problem – nämlich ich – so lösbar ist, willigte der Polizist ein. Und weg war ich. Die G312 mündete bald in eine Autobahn, was aber ein sichereres Fahren bedeutet, weil der Gegenverkehr weg ist und der Standstreifen doch recht breit. Aber auch total versifft mit Metallteilen aller Art: Schrauben, Muttern, Splinte, Federn und und und.. am schlimmsten waren aber Drahtstücke und ein winziges aus einem Stahlgewebe aus einem Reifen hat mir dann meinen ersten Platten beschert. Was aber wirklich nervte und aufhielt war der ständige starke Gegenwind. So schaffte ich in 10 Stunden gerade einmal 78 km bei größter Plagerei. An diesem Tag hatte ich nur eine Kontrolle der Autobahnpolizei, an einer Raststätte, die war easy. Kurz danach suchte ich einen Zeltplatz, allerdings ist die Autobahn durchgehend mit Stacheldraht eingezäunt. Also zuerst eine offene Stelle suchen, dann einen Platz. Irgendwann hats geklappt, der Zeltplatz war gut versteckt, in der Nacht meinte man allerdings die LKW’s donnern durchs Zelt. Trotzdem, es war ein gutes Abenteuer-Feeling, leider war die zurückgelegte Tagesstrecke zu kurz.

Blieben noch 165 km für den dritten Tag, nach Shanshan. Ich powerte was ging, der Wind blies nur leicht aus wechselnden Richtungen und trotz insgesamt vier Kontrollen hatte ich nach 10 Stunden die Strecke abgearbeitet. Doppelt so viele in derselben Zeit wie gestern. Es ging auch überwiegend leicht bergab, das hilft natürlich.

Shanshan (Berg, Berg… d.h. „viele Berge“), da war ich mit Ibo auf unserer Xinjiang-Tour vor knapp drei Jahren. Der Ort geht so, aber der Kumtag Desert Nationalpark, die Dünenregion, ist traumhaft. Schauts die Bilder an….

Ich nehme mir fast den ganzen Tag um dort umherzuwandern, suche mir die schönsten Grate und stapfe durch den ab dem späten Vormittag unerträglich heißen Sand. Dieses Dünenfeld ist noch eine ganz andere Nummer im Vergleich zu Dunhuang. Wenn man zwischen den Dünen steht und nichts sieht als unendliche Weite, dann kann man sich in die Beschreibungen von Sven Hedin hineindenken, der die Takhlamakan-Wüste in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts erstmals durchquerte.

Am nächsten Morgen gabs dann im Hotel Ärger, das Rad war in einem eigentlich abgeperrten und mit Stacheldraht gesicherten Bereich, aber dieses Tor wurde am Abend für irgendwelche Lieferungen aufgemacht und da hat sich wohl einer vorgenommen, meine kleine am Rad fixierte Rahmentasche zu plündern. Drei Werkzeugteile waren weg, das OBI-Kombitool, ein verstellbarer Maulschlüssel (Franzose) und der Inbusschlüsselsatz. Ich habe getobt… nutzte aber nichts, die Werkzeuge waren weg und die Hausdetektive waren machtlos, auch wenn wir auf den Bildern der Überwachungskameras gesehen haben, dass sich um 5 Uhr morgens eine Gestalt am Radl zu schaffen machte.

Die Fahrt von Shanshan nach Turpan war landschaftlich sehr schön und ich konnte etwas abkühlen. Zunächst ging es noch etwa 40 km an der Dünenregion entlang, durch viele Dörfer, die vom Traubenanbau leben. Dann war wieder Wüste und die letzen 30 km verliefen schön abwechslungsreich durch die Weinanbaugebiete und Melonen-Felder. Zwei Kontrollstellen musste ich passieren und zweimal wurde ich von „fahrenden“ Truppen angehalten und kontrolliert, mittlerweile versuche ich stets immer gleich auf mein Hoamzua-Projekt zu verweisen, um die Stimmung gut vorzubereiten. Manchmal wirkts, manchmal aber eben auch nicht, wenn so ein junger Ehrgeizling sich seine Sporen verdienen will. Der Aufenthalt in Turpan war ganz okay, kurz halt, aber ich hatte einigermaßen Ruhe.

Ursprünglich wollte ich die knapp 200 km bis Urumqi mit einem Bus fahren, nach der Deportation nach Hami vor einigen Tagen entschied ich mich aber jetzt diese Strecke doch zu radeln. Nach gut der Hälfte gab es eine kleine Stadt namens Dabansheng, sogar mit einigen Hotels. Das wäre eine gute Aufteilung der Strecke in zwei Tage gewesen. Zunächst gings 50 km auf der Autobahn, das war jetzt schon ein gut gewohntes „Gelände“. Wie schon erwähnt, ich empfinde es als sicherer als vielbefahrene Haupt-Landstraßen mit Gegenverkehr. Mittags traf ich an einer Raststätte Stanley Lin, einen Taiwanesen (66 Jahre alt) auf dem Weg nach Europa. So ein perfekt herausgeputztes Fahrrad habe ich nur einmal gesehen, als ich meines aus dem Laden holte…. Stanley hetzte dann vor mir her, zuerst auf der Autobahn, dann wechselten wir auf die unbefahrene G312, die sich aber bald in eine Baustelle verwandelte (weswegen sie nicht befahren wurde). Ich holte Stanley ein als er gerade einen Platten hatte, den wir dann gemeinsam reparierten.

Kurz vor Dabansheng dann die obligatorische Kontrolle vor Stadteinfahrten, das Ergebnis war, wir können in dieser Stadt nicht übernachten, wir sollten noch am Abend 80 km mit dem Bus nach Urumqi fahren, am nächsten Tag dann zurückkommen und die Räder holen. Mein Vorschlag, ich würde gerne auf dem Polizeigelände zelten, kam auch nicht so gut an. Stanley gab klein bei und akzeptierte die Busrunde, ich sagte dass ich nach Urumqi weiterradeln würde. Kaum fuhr ich los hatte ich eine Eskorte, die mich 10 km verfolgte, damit ich nicht im Stadtbereich untertauchen würde. Nach diesen 10 km lotsten mich die Aufpasser auf eine Autobahn, dort waren sie nicht mehr zuständig, und ich zwischen Gitterzäunen gefangen. Aber es gibt immer wieder Lücken, durch eine konnte ich entkommen und mir einen Zeltplatz in einem Wäldchen suchen. Trotz Sturm konnte ich das Zelt aufstellen, aber bis drei Uhr nachts tobte der Wind und ich konnte keinen Schlaf finden.

Ohne gscheits Frühstück, ich hatte kaum was dabei, gings am Morgen weiter. Zuerst wieder auf die Autobahn, dann wurde ich von dieser runterbefohlen und war schon gleich wieder in einer Kontrolle. Diesmal wars besonders schlimm, ich wurde der beruflichen Tätigkeit verdächtigt, meine Kamera wurde gefilzt, ich musste diverse Bilder löschen. Letztendlich durfte ich weiterradeln, aber über 20 km wurde ich eskortiert, sogar bis in ein Nudelrestaurant. Auch diesesmal sind meine Schatten dann plötzlich verschwunden. Zwei weitere Kontrollen gab es dann noch bis zur Provinzhauptstadt Urumqi. Ich war genervt und zwar gscheit.

Ich wollte das keine weitere 800 km mehr mitmachen, außerdem war mir das Thema Arbeitsvisum nicht mehr geheuer. Irgendeiner entscheidet plötzlich mich festzusetzen um mich komplett auszuloten. Da findet man zwar nichts, aber es dauert. Urumqi hatte ich vor drei Jahren schon gesehen, so war der Fokus auf meiner Weiterreise und deren Organisation. Nur gut, dass ich schon „alle Fotos“ von Urumqi und der Provinz Xinjiang bereits im Archiv habe.

Kurz, ich buchte einen Flug nach Almaty, der Hauptstadt Kasachstans. Radl- und Gepäcktransport konnte ich regeln, beim Abflug wurde ich noch um diverse Werkzeuge erleichtert, die ich in der ganzen Hektik im Handgepäck vergessen hatte, aber der Flug klappte dann super und am 5. Mai abends war ich in einem Hotel in Almaty eingecheckt.
Auf zu neuen Abenteuern ….

Hier gibts noch die Bilder: Bye Bye China