24.04.2019 Ein „großer Sprung nach vorn“…

2019-04-24 9 Von Christoph

Damit meine ich nicht den von Mao und seinen Truppen auf dem langen Marsch, sondern den aktuellen Abschnitt auf meiner langen Tour. Aber der Reihe nach:
Kurz nach meinem letzten Eintrag habe ich eine Auszeit vom Radeln genommen: Ich war nach Suzhou eingeladen zur Eröffnung der Firmenerweiterung von Brückner China. Hiermit nochmal ein Danke an Uwe, es hat mich sehr gefreut dabei sein zu können.
Ich wurde von Dr. v. Wiedersperg, dem CEO der Brückner Group und auch von Uwe, dem Geschäftsführer von Brückner China, in ihren Reden sehr bemerkenswert geehrt und gewürdigt. Auch dafür nochmal ein herzliches Dankeschön. Nichtzuletzt hat es mich auch sehr gefreut, dass viele meiner Kollegen großen Spaß haben, meinen Posts auf dieser Webseite, aber auch auf Wechat zu folgen. Ich fühle mich schon fast verpflichtet (im positiven Sinne) alle teilhaben zu lassen. Und ich konnte das Fest ganz entspannt als Gast verfolgen, nicht mehr als Verantwortlicher.
So gingen die Tage schnell rum mit ratschen, sich austauschen, noch a paar persönliche Ratschläge geben, diverse Abendessen und natürlich dem Fest.
Zurück in Xining – die Reise von Hotel zu Hotel dauerte 12 Stunden – war ich schon wieder heiß aufs Weiterradeln, wurde jedoch schnell abgekühlt. Gleich am ersten Tag hats geregnet, knapp über dem Gefrierpunkt, also fast geschneit. Da ich nur 40 km radeln wollte, zog ich dennoch los und wurde dann komplett zugeschüttet. Die nächsten Tage hatte ich mehre Pässe vor mir, der höchste führte auf 3800 m. Da war klar, das geht nicht ohne Schnee ab.
In der Nacht schneite es runter auf 2400 m, die Straßen waren jedoch noch frei. Nach etwa 35 km konnte ich einen Bus aufhalten, der auch bereit war mich mitzunehmen Richtung Zhangye. Es war eine gute Entscheidung, ich hätte es an diesem Tag nicht geschafft über den hohen Pass zu kommen. Nicht nur wegen des Wetters, die Straße war auch extrem mit LKWs befahren. Sie war so schmal, dass diese oftmals nicht aneinander vorbeikamen und viele Staus verursachten. Da wäre ein kleiner Radler gscheit zwischen die Räder gekommen. So war ich denn sehr froh bis Eduzhen mitfahren zu können.
Hier erlebte ich gleich das nächste Malheur, wurde ich doch bei der Hotelsuche abgewiesen. Ausländer dürften aktuell nicht in dieser Region (Haibei County) übernachten, ich solle bittschön schauen, dass ich weiterkomme, also nochmal 60 km über den nächsten Pass. Aber es war schon 6 Uhr abends. Die beiden Gesetzeshüter waren unerbittlich, plötzlich stand auch ein Kleinbus da, der mich mitnehmen würde. Na guat dann ….
So machte ich schon am zweiten Tag einen großen Satz über die Berge, nach Minle, und es waren nur noch 60 km nach Zhangye, der ersten größeren Stadt im Hexi Korridor, wie die Region genannt wird.
Der Hexi Korridor verläuft in Nord-West-Richtung und wird gebildet durch die Qilian-Bergkette im Süden und durch die Grenze zur Inneren Mongolei im Norden. Und er ist einigermaßen flach, die Region liegt zwischen 1100 und 1800 m Höhe.

Zhangye als eine bedeutende Station der Seidenstraße war Ausgangspunkt zu einem weiteren landschaftlichen Höhepunkt, dem Danxia Qicai Geo Park, einem gut 80 km² großen Areal aus Sandsteinbergen, die durch Ablagerungen verschiedener Mineralien in den verschiedensten Farben erscheinen und deshalb auch den Namen „Regenbogenberge“ erhalten haben. Mit Danxia (“rote Wolken“) bezeichnen die Chinesen Sandsteinformationen, die in verschiedenen Gegenden Chinas vorkommen. Der Danxia-Park in Gansu ist jedoch der berühmteste, weil hier die Berge eben in vielen Farbschattierungen vorkommen. Siehe Fotogalerie….
Meine Weiterfahrt führte dann über Linze und Qingshui nach Jiayuguan, hier ging es richtig gut vorwärts und ich konnte zum erstenmal knapp 140 km an einem Tag abarbeiten. Ohne Schnee, lästige Hunde und ohne großen Windeinfluss.

Jiayuguan ist vor allem bekannt durch seinen Yuguan-Pass, einer Anhöhe im Westen der Stadt mit einer großen Burganlage, die früher als „Ende der großen Mauer“ bezeichnet wurde. Westlich davon war die Region nicht mehr erschlossen und auch politisch sehr unstabil. Das „rote Fort“ steht wuchtig in der Talmitte und man kann sich gut vorstellen, dass es eine wichtige Burganlage zur Befriedung der Region war. An einigen Stellen sieht man noch Reste der großen Mauer, aber es wurde touristisch natürlich ein „neues“ altes Stück aufgebaut, das auf einen Höhenkamm hinaufführt.
In Jiayugaun hatte ich gleich zwei Treffen mit „Laoweis“, am Nachmittag traf ich zufällig ein Regensburger Paar, deren Sohn und Schwiegertochter in Shanghai arbeiten und die häufig in China sind und dann sehr viel reisen. Es war ganz nett sich in der Mutterspache (damit meine ich bayrisch!) austauschen zu können.
Am Abend zuvor traf ich Charles und Lea wieder, das frz.-kanadische Flitterwochen-Radler-Paar, das ich zwei Wochen zuvor in Xiahe kennengelernt hatte. Wir hatten uns verabredet und hatten einen netten Abend mit viel Austausch. Die beiden hatten identisch dasselbe Erlebnis in Eduzhen, wo sie aus dem Ort verwiesen wurden. Dass sie dann nur 500 m weiterfuhren und dann gezeltet haben, haben die Polizisten wohl nicht mitbekommen. Jetzt wollen sie ein Stück mit dem Bus weiter, aber sie werden etwa zur selben Zeit ungefähr Mitte Mai denselben Grenzübergang nach Kasachstan benutzen…mal sehen, ob wir uns wieder treffen.

Jiayuguan – Yumen – Gaozhou – Dunhuang: Die nächsten Tagesetappen waren geprägt von relativ flachen Strecken, viel Sonne und noch mehr LKWs, es ist schließlich die Hauptroute nach Westen. Die Strecke macht dem Namen „neue Seidenstraße“ wohl schon ziemlich viel Ehre. LKWs, die nicht extrem weit fahren, wollen sich die Maut für die Autobahn sparen und fahren auf der Landstraße.
Mehr und mehr wurde die Region zur Wüste, nur noch einige kleinere Gegenden im Bereich von Dörfern sind kultiviert und werden bewirtschaftet. Es hängt davon ab, ob Wasser verfügbar ist, kleinere Flüsse kommen aus den Qilian-Bergen im Süden und Südwesten und das wenige Wasser wird über Bewässerungskanäle in der Region verteilt.
Immer wieder treffe ich auf Weitwanderer, die über Tausende von Km z.B. nach Tibet oder ganz in den Westen Xinjiangs wandern. Sie haben einen Handkarren, der gut ausbalanciert ist und deshalb „nur“ gezogen werden muss. Allerdings sind diese Gefährte bis zu 150 kg schwer und da heißt es ordentlich ziehen. Am besten kann man sich das bildlich vorstellen, also schauts in die Bildergalerie.

Die Etappe zwischen Yumen und Gaozhou konnte ich auf Nebenstraßen fahren, das war schon deutlich schöner als ständig von LKWs niedergehupt zu werden. Zwischen Gaozhou und Dunhuang war dann Ruhe, weil die LKW-Route direkt nach Liuyuanzhen führt, und Dunhuang einen 100 km-Abstecher von dieser Route bedeutet. Das meinte ich mit dem großen Sprung nach vorne, ich konnte in 5 Radeltagen 635 km vorwärts kommen. Ein Schnitt, den ich bisher für unmöglich gehalten habe. Aber scheinbar macht sich hier das Höhentraining der letzten Wochen bemerkbar.

Dunhuang ist ein berühmter Wüstenort und seit Jahrtausenden ein Karawanenort der Seidenstraße. Seine bekanntesten Sehenswürdigkeiten sind die Mogoa-Grotten (sowie andere Grotten mit buddhistischen Tempeln) und vor allem eine Oase in einem Dünengebiet mit einem mondsichelförmigen See. Deshalb gibt es hier einen Flughafen, zu dem man aus ganz China herfliegen kann. Die Stadt ist jetzt ein reiner Touristenort und in der Hauptsaison entsprechend überlaufen. Das touristische Angebot ist entsprechend gigantisch, neben und in der landschaftlich von Sanddünen geprägten Umgebung der Stadt kann man Ballon fahren, Drachen fliegen, Kamel reiten, mit Geländefahrzeugen durch die Dünen brausen, Sandboarden und vieles mehr. Allerdings…. alles nur als „Beifahrer“, nicht in Selbstausübung.

Die Stadt ist piekfein herausgeputzt, alles neu erbaut und klinisch sauber. Da wirft niemand mehr was weg. Die Autos halten an den Fussgängerüberwegen auch ohne Ampeln und das Leben in dieser Oasenstadt beginnt erst spät abends, wenn die Temperaturen angenehm sind.
Ist das China? Kaum vorstellbar.
Heute bin ich trotz bewölktem Himmel hinausgefahren in die Dünenwelt, habe auf blauen Abendhimmel gehofft, der dann leider nicht eingetreten ist. Aber es war wunderschön über die Dünen zu wandern und die herrlichen Blicke auf den Mondsichelsee sowie die vielen Aktivitäten zu werfen. Heute möchte ich es noch einmal versuchen, gutes Fotolicht zu bekommen.
Dunhuang ist wirklich ein ganz besonderer Platz.

Die nächsten großen Stationen sind Hami und dann Turpan, bereits in der Provinz Xinjiang und jeweils etwa 450 km auseinander. Ab hier, ab Dunhuang, erstreckt sich das große Tarimbecken ( mit ca. 1 Mil km² dreieinhalb mal so groß wie Deutschland), mit seiner extrem trockenen Taklamakan-Wüste in Richtung Westen. Ich werde schön außen drum rum fahren.

Hier könnt ihr wieder einige Bilder zum aktuellen Eintrag sehen, Bildergalerie 14: Der große Sprung