06.04.2019 Über das Qinghai Plateau

2019-04-06 9 Von Christoph

Hey Fans, do samma wieder……. 
Seit dem letzten Blog-Eintrag bin ich vom blauen Stricherl auf der Karte bis zum blauen Punkt (Xining) gefahren: Das Höhenprofil seht ihr darunter.

Ma’erkang – Shuojingsi – Hongyuan – Dazhasi (Ruo Er Gai Xian) – Langmusi – Luqu – Hezuo – Xiahe – Tongren – Qunke – Xining.
Xining ist die Hauptstadt der Provinz Qinghai und für mich ein großer Meilenstein. Es ist etwa ein Drittel der gesamten Strecke. Danach gehts runter vom Qinghai-Plateau (3000 – 4800 m hoch) in die Wüstengegenden der Seidenstraßenrouten, dort bewege ich mich auf etwa 1000 – 2000 m Höhe. Hier wird die tibetische Bevölkerung der Qinghai/Gansu-Region abgelöst von den Hui, den chinesischen Moslems…

Aber jetzt mache ich jetzt mal Pause…Xiuxi, wie die Chinesen sagen. Ich bin nach Suzhou eingeladen zur Eröffnungsfeier des Erweiterungsbaus von Brückner China, den ich ja sozusagen als letztes Projekt verantwortet habe. Am kommenden Montag gehts los, ich bin für vier Tage in meiner alten zweiten Heimat, am 12.04. gehts dann wieder hierher zurück und aufs Radl.
5800 km bin ich bisher gestrampelt, zusätzlich etwa 800 km mit Bussen oder Huckepack auf Pick-ups gefahren, wenn die Verhältnisse mich zu sehr geplagt haben.
Jetzt bin ich sozusagen „übern Berg“, d.h. fast, ein gscheiter Buckel kommt noch nach Xining, die Qilian Bergkette, da gehts nochmal auf 4000 m hinauf.

Die letzten zehn Fahrtage sind eigentlich ganz gut und effizient verlaufen. Anfangs verlief die Route noch zwei Tage durch enge Täler, stetig aber moderat bergauf. Gleich am ersten Tag musste ich in einem kleinen Ort übernachten, in dem nur ein Hotel (Gästehaus) verfügbar war. Da hat mich die Wirtin gleich abgezockt. Verhandeln ging nicht. Und als es um die Einstellmöglichkeit des Fahrrads ging, habe ich ordentlich mit ihr und ihrem Alten gestritten. Schließlich durfte ich es hinter der Rezeptionstheke abstellen. Das Zimmer war kalt, das Wasser auch und als ich am Morgen das Rad bepackte, hatte ich meinen ersten Platten. Komisch…. Abpacken, die Ventilkappe war sehr festgeschraubt, Demontage, Schlauch prüfen, inzwischen hatte ich vier weitere Helfer und die Alte grinste im Hintergrund.
Ich konnte absolut nichts finden, schließlich habe ich alles wieder montiert und Luft reingepumpt. Sie hält auch seitdem wie zuvor. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Wirtin mir die Luft rausgelassen hat, weil ich ihr so zugesetzt habe am Abend zuvor.

Ab hier bewegte ich mich auf dem östlichen Qinghai-Plateau mit seinen weiten Tälern und eigentlich nur geringen Anhöhen. Ziemlich lästig war der starke LKW-Verkehr auf der gesamten Strecke bis Hezuo, etwa 500 km. Diese Route ist eine Hauptroute zwischen Lanzhou (Gansu Provinz) und Chengdu (Sichuan).
Im Schnitt werden es am Tag so einhundert LKW’s gewesen sein, die an einem vorbeidonnerten. Das lief stets so ab: Plötzlich ein lautes Hupen, dann eine Druckwelle, die einem nach rechts vorne schubste, gefolgt von einem Sog, der einem nach links vorne zog. Wenn dann das Rad wieder stabil lief, war der Spuk wieder vorbei bis zum nächsten Laster. Das ganze war noch verstärkt, wenn gerade einer entgegen kam, so dass der Überholende nicht rüberfahren konnte und ganz knapp an einem vorbeifuhr. Zum Glück war die Straße recht breit, ich habe mich eigentlich – bis auf die „Verwirbelungen“ in der Luft – nicht bedroht gefühlt.
Lästiger war der Gegenwind, an acht der letzten zehn Tage bließ der Wind immer von vorne, so dass man selbst auf ebener Strecke wie wild treten musste um vorwärts zu kommen. Die Ebenen wurden so zu Bergen.
Es folgte ein Schneetag, an dem ich mit einem Bus von Hongyuan nach Dazhasi (Ruo Er Gai Xian) fuhr. Nachdem es schwer vorherzusagen war, wie ich im Schneetreiben vorwärtskommen würde, war mir diese Lösung lieber. Ich konnte an einem Bustag zwei Radltage gutmachen.
Es folgten zwei sehr schöne Radstrecken, nach Langmu Si und weiter nach Luqu, jeweils knapp 90 km. Diese Tage waren allerdings von einem anderen Ereignis geprägt, nämlich von Hundeattacken. Insgesamt fünfmal stürmten einer oder sogar zwei Hunde auf mich zu und griffen bedrohlich an. Einmal verbiss sich einer in meine linke hintere Packtasche, in letzter Sekunde konnte ein Autofahrer dazwischengehen und mich abschirmen. Die Hunde kamen aus Gehöften nahe der Straße und liefen zuerst um mich herum auf die Straßenseite, wie um mich davon abzuhalten zu fliehen.
Jedesmal rettete mich ein Autofahrer oder die Hundeeigner selbst, indem sie mich mit Auto oder Motorrad abschirmten. Die Hunde waren etwas größer als Schäferhunde, mit struppigem voluminösem Fell, fast könnte man sie beschreiben wie kleinere Schwarzbären…. Ich will ja nicht übertreiben, aber es kam mir so vor. Foto habe ich keines gemacht L.
Da kommt man gar nicht dazu, das Pfefferspray einzusetzen, besonders wenn man gegen den Wind sprayen muss, das könnte gscheit schiefgehen. Ich hatte dann mandarinengroße Steine in der Tasche, auch das war schwierig, diese zu benutzen und gleichzeitig das Rad in der Balance zu halten. Außerdem muss man absteigen und sich stellen, wenn man weiterstrampelt, ist man eine noch attraktivere Beute für die Viecher.
Eigentlich gabs an allen Tagen das Hundegebell, allerdings waren die meisten angekettet, so dass ich beruhigt vorbeitreten konnte. Schon seltsam, dass Hunde so sehr auf Radfahrer reagieren. Bei den Autos geben sie keinen Ton von sich.
In dieser Region gab es viele Yak- und Schafherden, interessanterweise kümmerten sich die Hunde dabei nur um ihre Herden, nicht um mich, die wilden Köter kamen stets aus den Gehöften.

Der Schneefall die Tage zuvor hat die Berge leicht überzuckert, so entstand ein schöner Kontrast im öden Braun, insgesamt ziemlich fotogen.
Alle die genannten Orte sind tibetisch geprägt, die Menschen zu 90 % (oder mehr) tibetischer Abstammung und entsprechend gekleidet. Oft tragen sie eine Art Turban mit bedecktem Gesicht, der gerade die Augen freilässt, um sich gegen die Kälte zu schützen. Man kann die umhängeartigen Kleider und Kopfbedeckungen fast mit denen der Tuareg in Afrika vergleichen.
Angenehm sind die tibetischen Lokale, in denen stets in der Mitte ein kohlebeheizter Ofen steht, auf dem Wasser erhitzt wird und an dem man sogar essen kann, wenns gar zu kalt ist.
Einige Tibeter sprachen etwas Englisch, was sie dann gerne zeigten, so dass man sich ein bisschen austauschen konnte. Aber nur dann. Die meisten waren stumm und unnahbar. Sie waren stets freundlich, aber aufgrund der „Vermummung“ ist es doch ein eigenartiges Gefühl.

Alle Orte haben mehr oder weniger große Tempelanlagen, die äußerst beeindruckende Anblicke bieten.
Während sich die Landschaft jetzt im Winter bzw. Frühjahr sehr eintönig grau-braun zeigt, sind die Tempelanlagen in den buntesten Farben bemalt und verziert. So bin ich dann stets nach meiner Ankunft am späten Nachmittag gleich noch auf Fototour, um diese Pracht zu dokumentieren. Besonders hervorzuheben sind dabei Langmu Si (Si heißt Tempel), ein Bergdorf mit prächtiger Felskulisse drumherum sowie Hezuo mit einem weitläufigen Tempelbezirk, der noch nicht touristisch erschlossen erscheint.
Diese beiden Orte sind dann auch schon etwas muslimisch „durchsetzt“ und haben Moscheen mit stark chinesisch architektonischem Einfluss. Die Minarette schauen eher aus wie Pagoden.
Weitere Zwischenstopps waren dann Zuahe und Tongren, diese beiden Orte sind sehr berühmt und fehlen auf keiner Rundtour durch Gansu/Qinghai, hierher werden die Touristen busweise gekarrt. Entsprechend ist die Infrastruktur rundherum entwickelt. Lourdes auf chinesisch, könnte man wohl sagen.
Während die Tibeter, besonders die Mönche, die notwendige „Kulisse“ bilden, sind die Hui-Moslems und die Han-Chinesen fürs Geschäftemachen zuständig.
Das berühmteste Kloster in Zuahe, das Labrang Kloster wird von etwa 5000 Mönchen bewohnt, wobei man sich das so vorstellen kann, dass es sich um ein frei zugängliches Dorf handelt, und man kann sich unters „Mönchsvolk“ mischen. Nur der Tempelbereich ist über Eintrittstickets geregelt, und in den Tempeln selbst ist fotografieren nicht erlaubt.
In Tongren (Repkong, Longwuzhen, Huaning, es gibt immer verschiedene Ortsnamen in den Karten) ist der Rongwo Tempel die Hauptattraktion, im Umkreis des Ortes aber auch das Wutun Kloster oder Goma Gompa, ein mittelalterlich anmutendes Lehmdorf.
Zwischen den Orten gings über 3600 m hohe Pässe, weite Ebenen und durch enge Schluchten, weiterhin eine phantastische Landschaft. Plötzlich, nur wenige Meter neben der Straße tat sich eine Gruppe von sechs oder sieben Geiern an einem Schafskadaver gütlich. Sie ließen sich weder durch vorbeidonnernde LKW’s verscheuchen noch durch mich, als ich zum Fotografieren stehenblieb. Erst als ich näher als acht Meter heranging, flogen sie zögerlich davon, um in sicherer Entfernung zu warten bis ich weg war.
Von 3600 m Höhe folgte dann eine Abfahrt auf 2000 m durch eine Schlucht, die an die roten Sandsteinformationen des Monument Valleys in USA erinnern, einfach unbeschreiblich wild und schön.

Am nächsten Tag dann war der Ort Qunke das Tagesziel, ein Dorf komplett mit Hui-Moslems bewohnt. Das ziemlich bescheidene Quartier war schon okay, sehr verwunderlich war, dass es in keinem Laden des Ortes Bier zu kaufen gab. Nicht einmal das chinesische Dünnbier. Da kann man wohl sagen, dass dieses Dorf zu hundert Prozent muslimisch ist.

Nach einem Tagesschnitt von 80 km in den letzten acht Tagen habe ich mir dann am letzten hohen Berg vor Xining noch eine Busauffahrt gegönnt, so dass ich die gut einhundert km an einem Tag hinter mich bringen konnte.
Jetzt, in Xining, kann ich meine Sachen in Ordnung bringen, den aktuellen Blog-Eintrag schreiben, alles sortieren und waschen und mich auf den Suzhou-Ausflug freuen.

Mein Fazit der letzten Wochen: Die Überquerung der östlichen Himalaya-Ausläufer (das Sichuan-Qinghai-Plateau) auf der zweithöchsten Stufe (zwischen 3000 und 4000 m Höhe) war eine ganz großartige Route. Sehr gute Strassenverhältnisse, moderate Steigungen, ärgerlicher Gegenwind, a bissl viel LKW-Verkehr, traumhafte Abfahrten, lästige Hunde, fotogene Yak- und Schafherden, farbenprächtige Tempelanlagen, verschlossene, aber freundliche Menschen, kalte Nächte und dementsprechend kalte Radl-Vormittage – alles zusammen ergab ein besonderes Raderlebnis.
Dieses wird nur a bissl getrübt durch die Einsamkeit seit Ibo nicht mehr dabei ist. Aber ich bin in täglichem Austausch mit ihr und ich freue mich auch über jeden Kommentar auf dieser Webseite.

Nach der Radlpause wirds wieder aufs Neue spannend, nach der Überquerung des Qilian Gebirgszuges gehts hinab in die Wüste. Ca. 2750 km sind es noch bis ans Ende von China.

Wie immer gibts auch zu diesem Abschnitt Bilder in einer neuen Galerie:

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