23.03.2019 Mehrere Stockwerke höher im westlichen Sichuan

2019-03-23 10 Von Christoph

Da bin ich wieder…. Zuerst möchte ich mal allen danken die uns bzw. jetzt mich mit ihren Kommentaren unterstützt haben, sei es mit Lob, Zustimmung, Aufmunterung oder was auch immer.
Bitte versteht, dass ich nicht auf jeden Kommentar antworten kann, es sind zu viele, da komme ich mit der „Büroarbeit“ nicht mehr nach. Aber es freut mich immer wenn ich einen neuen Kommentar lesen darf.
Übrigens: Wer sich nicht so öffentlich äußern will, über den Hauptmenü-Punkt „Kontakt“ auf der Webseite kann man direkt an mich schreiben ohne dass es die anderen mitlesen.

Aber jetzt zum weiteren Tourenverlauf.
Lijiang – Shangri-La – Xiangcheng – Litang – Garze – Luohu – Wengda – Bartam: Nach Ibo’s Ausstieg ging’s steil in die Berge. Am ersten Tag übernehme ich mich gleich. Weil der Jadedrachenberg so schön leuchtet, entschließe ich mich kurzfristig ihn auf dem Weg in die Tigersprungschlucht südlich und östlich zu umrunden. Es ist auch eine phantastische Route, von 2200 m hinauf auf 3600 m (mit Zwischenabfahrten) und dann endlos lange hinunter auf 1600 m nach Daju zum östlichen Eingang in die Schlucht, wo ich in Sean’s Guesthouse ein Zimmer gebucht habe.
Auf der Ostseite der Schlucht gibt es keine Brücke und als ich an die Fährstelle komme, war es bereits 7 Uhr abends und keine Fähre mehr in Betrieb. Sean konnte es dann telefonisch organisieren, dass die Fähre für mich nochmal ablegt. Die extrem steile Auffahrt auf der Nordseite zur Hauptstraße musste ich schieben, die letzten Km war es dann schon dunkel, und um halb zehn erreichte ich Sean’s Guesthouse.
Am nächsten Tag dann die Schluchtdurchquerung von Ost nach West. Ich war noch nicht erholt vom Vortag, ein böiger Gegenwind plagte mich, so dass ich drei Stunden für 15 km benötigte. In Hutiaoxiang, am westlichen Schluchteingang, konnte ich einen Bus aufhalten, der mich die 1000 Hm hinauf und weiter nach Shangri-La brachte. Dort hatte ich dann etwas Zeit die Altstadt zu bebummeln und Fotomotive zu suchen. In einer Kneipe traf ich ein deutsches Paar. Die Beiden sind über Moskau und die Mongolei nach China gekommen und das weitere Ziel ist Vietnam. Sie sind vom Norden her mit dem Bus gekommen und haben berichtet, dass die Route schneefrei ist. (Hey Ihr Beiden, wenn ihr das lest, alles Gute, ich hoffe eure Reise verläuft gut).
Nachdem ich jetzt schon im äußersten Norden Yunnans war, sind die Möglichkeiten weiterzuradeln schon eingeschränkter. Trotzdem gibt es vier mögliche Routen um nach Litang zu kommen. Ich entscheide mich für die längste, denke das ist die „radlverträglichste“….ob es denn so war, kann man ja später nicht mehr herausfinden.
Also, nach Shangri-La gabs – nach einem Zwischenaufstieg – einen schönen „Abfahrtstag“ nach Benzilan, die letzten 30 km zuerst hoch über, dann immer näher am Jinsha Fluss (dem späteren Jangtze, dem größten Fluss Chinas, der bei Shanghai ins Meer mündet) entlang. Hier erfahre ich, dass die Straße nach Xiangcheng etwa 100 km lang eine Baustelle sein soll. Aber ich bin schon zu weit im Norden, jetzt muss ich durch.
Die nächste Tagesstation ist Derong, die Straßen dorthin sind eigentlich noch gut, aber an vielen Stellen von Steinschlägen oder sogar Erdrutschen schwer geschädigt, an einer Stelle ist sie sogar komplett wegen Unterspülung verschwunden. In Derong überrascht mich dann eine extreme Polizeipräsenz, die Stadt ist mehr oder weniger belagert, an jeder Kreuzung sind sie postiert. So muss es in Afghanistan aussehen.
Ich falle natürlich extrem auf und werde mehrfach angehalten und kontrolliert.
Die weitere Route über Ciwu, Reda nach Xiangcheng ist dann „sehr selektiv“. Am nächsten Tag komme ich nur 45 km, bis Ciwu. Es geht 1200 Hm hinauf, die Straße ist häufig eine staubige Schotterpiste, hergerichtet zum Asphaltieren. LKW’s rauschen durch und hüllen mich in Staubwolken.
Nach Ciwu kommt bis Xiangcheng kein größerer Ort mehr, an dem man ein Hotel oder Guesthouse finden kann. Etwas zusammengefasst: Für die 121 km benötige ich zwei Tage, 70 km davon sind Baustelle und am ersten Tag „rettet“ mich ein Baustellen-Mann aus einem Sandsturm, indem er mich 25 km weit ans Ende der Baustelle fährt. Dann heißt es zum ersten Mal zelten, ich schlafe schlecht, am Morgen sind die Wasserflaschen gefroren. Mehr sog i net.
Am zweiten Tag „fällt“ dann der erste 4000er, der Ma’anshan Pass, der eine Höhe von 4174 m erreicht. Das war ein erhebendes Gefühl. Am späten Nachmittag erreiche ich Xiangcheng und muss gleich in eine Schule. Tags zuvor hat ein Englischlehrer über Telefon gedolmetscht, als ich von der Polizei kontrolliert wurde. Er hat mich gebeten in seiner Klasse „aufzutreten“, über meine Tour zu berichten, den Schülern die Möglichkeit zum Sprechen zu geben. Die Veranstaltung war dann allerdings ein Flop, der Lehrer hatte ein privates Nachhilfeinstitut, aber weder er konnte die Veranstaltung vernünftig moderieren, noch seine Schüler trauten sich Englisch zu sprechen. Vielleicht waren sie auch von Rübezahl zu beeindruckt.
Die letzten Tage hatten gezeigt, dass ich hier in den Bergen mit meinem Reiseplan nicht weit komme. Außerdem habe ich nicht viel Lust bei deutlichen Minusgraden im Zelt zu hausen. Ich muss beschleunigen, sonst wirds nix mit dem April-Termin in Suzhou und mit dem Treffen von Franz und Joachim im Juni in Kirgistan.
Also, für den nächsten Tag organisiere ich ein Fahrzeug (Sammeltaxi) und überspringe drei 4600er-Pässe und fahre gute 200 km nach Litang. Hier, auf knapp 4000 m war ich einige Jahre zuvor schon mit Ibo, damals hatten wir starke Höhenbeschwerden, diesesmal bin ich gut angepasst. Litang ist ein Verkehrsknoten im westlichen Sichuan, hier kommen die Radler durch, die (im Sommer) von Chengdu nach Lhasa radeln. Die Stadt ist inzwischen recht schön hergerichtet, alles im tibetischen Stil gebaut und alle Geschäfte und Lokale sind einheitlich ausgeschildert. Auch in dieser Stadt sind alle Kreuzungen von der Polizei besetzt, sogar einige Panzerwagen tragen zur bedrohlichen Kulisse bei. Dazwischen sitzen die Tibeter und tun so als wenn sie die Anwesenheit der Staatsmacht ignorieren würden.
Jetzt habe ich wieder die Wahl entweder weiter nach Norden zu ziehen oder Richtung Chengdu nach Osten auszubrechen um in „gemütlichere“ Gefilde zu kommen. Aber auch Chengdu ist 650 km entfernt und man muss einige 4000er Pässe überwinden. Außerdem habe ich ein Zwischenziel weiter nördlich, eine Stadt auf 4000 m Höhe, bewohnt von 40.000 Mönchen. Der Name ist Larung Gar. Das möchte ich unbedingt sehen, wobei es unsicher ist, ob Ausländer überhaupt in dieses Hochtal dürfen. Im Internet kursieren einige Informationen, dass dem so sei.
Von Litang gehts zuerst ostwärts noch 150 Hm hinauf, dann links ab Richtung Norden. Nach 2 – 3 Stunden ziehen innerhalb kurzer Zeit viermal Schnee- bzw. Graupelstürme durch, beim erstenmal baue ich schnell mein Zelt auf, um Schutz auf dieser Hochebene zu finden. Die Stürme sind sehr lokal und schnell durch, trotzdem wusste ich ja nicht, ob es ganz zumacht und ich eingeschneit werde.
Es gelingt mir einen Pickup-Fahrer anzuhalten und ihm klarzumachen, dass er mich mitnehmen soll.
Gerettet. Er fährt zwar wie ein Wilder und wir verlieren fast das Rad von der Ladefläche, aber er bringt mich über den nächsten Pass in tiefere Gefilde. Die letzten 20 km bis Xinlong fahre ich dann wieder selbst. Inzwischen habe ich mich an die Besatzer in jedem Ort gewöhnt, sie sind ja auch immer sehr freundlich, wollen halt wissen wer, woher, wohin.
Das Städtchen ist in einem engen Tal des Yalong Flusses eingequetscht, aber auch wieder sehr aufgeräumt und baulich gut entwickelt. Es ist sehr kalt am Morgen, der nächste Ort mit Hotels ist Garze (auch Ganzizhen) 106 km entfernt. Zwar nur 200 Hm höher, aber in dem Flusstal gehts tausendmal auf und ab. Es gelingt mir die Strecke an einem Tag zu fahren, ich hatte einen guten Tag gestern und vielleicht hat mich die Aussicht auf ein Bett zusätzlich beflügelt. Und das obwohl ich sehr häufig zum Fotografieren angehalten habe. Der Fluss, sein Verlauf und die vielen tibetischen Dörfer mit ihren wuchtigen Häusern boten eine Vielzahl von Motiven. Abends um 19 Uhr erreichte ich Ganzizhen und war dort begeistert von den schönen bunt bemalten und verzierten Häusern.
Am Abend noch habe ich dann einen Fahrdienst organisiert, der mich den nächsten Pass auf 4100 m hochbringt. Noch eine solche Gewalttour innerhalb zweier Tage hätte ich wohl nicht geschafft und der nächst Ort, Luohu, ist 96 km entfernt. Also hinauf mit dem Lift und eine schöne Abfahrt genießen.
Die beiden Typen, mit denen ich den Transport vereinbart hatte, polterten am Morgen schon eine Stunde früher in mein Zimmer. Wir müssten sofort los. Die beiden waren wohl „Schwarz-Fahrer“ und mussten ihr Business im Verborgenen abwickeln. Ich ließ mich auf nichts ein, staubte die beiden weiter und organisierte einen seriösen Transport.
Der Tag war zauberhaft, im Süden leuchteten frisch verschneite Berge und die Luft war so mild wie sie halt auf 4000 m sein kann. Die Abfahrt über 65 km und 1000 Hm war ein Genuss, ein sehr schöner Tag.
Der nächste Tag solle mich in die Nähe der Mönchsstadt bringen. Was ich gestern so schön runterradeln durfte, musste ich heute wieder hinaufstrampeln, auf einer Strecke von 46 km wieder auf gute 4000, wo dann ein 3 km langer Tunnel durch den Gipfelaufbau führte.
Am Zielort auf 3333 m, namens Wengdazhen, wurde mir gleich beim Einchecken mitgeteilt dass ich bereits hier nicht mehr weiter könne, bereits 65 km vor Larung Gar. Es war auch gleich ein Polizist zur Stelle der das bestätigte und keine 10 Minuten später kam der „Polizeischef“ von Wengda und machte es mir noch einmal klar, für mich gäbe es nur zurück über den Berg wo ich hergekommen bin oder auf der G 317 nach Osten aus der Region raus zu fahren. Alles sehr freundlich aber auch unmissverständlich.
Die Enttäuschung war schon groß, aber irgendwie nicht komplett überraschend, im Internet kursieren ja solche Ansagen und einige Telefonate über chinesische Freunde mit den Behörden ließen das befürchten. Ich hab’s trotzdem versucht, weil dieser Ort sozusagen an meiner ungefähren Route gelegen ist. So bin ich denn heute in die östliche Richtung weiter geradelt, das Gesamtbild meiner Route wird jetzt allerdings immer wieder Fragen aufwerfen.

Die Tage nach Ibo’s Ausstieg bin ich schon etwas „durchgefallen“, plötzlich alleine und ohne Kommunikation, besonders vermisse ich Ibo’s Standardsatz: „Samma do scho richtig?“.
Außerdem die ständige Ungewissheit wie ich über die Berge komme. Bei Minusgraden will ich nicht unbedingt zelten, die Unsicherheit ob die Routen schneefrei sind und besonders die Erkenntnis, dass meine Planung hier in den hohen Berggebieten weit weg von der Realisierbarkeit ist. Nicht zuletzt erkenne ich auch meine körperlichen Grenzen, mein 50+ kg-Gefährt immer wieder in diese Höhen hinauf zu kurbeln.
Also muss ich hin und wieder „lifteln“, um meine Meilenstein-Termine einhalten zu können. So ein Stress aber auch…. Jetzt gilts erst mal eine Alternativ-Route Richtung Qinghai zu finden, die alle Einflüsse so verarbeitet dass ich meine Gesamtplanung einhalten kann.
Aber jetzt schauts Euch noch a paar Buidl o:

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