15.02.2019 In den Bergen Guizhous

2019-02-15 6 Von Christoph

Jetzt führt unsere Hauptrichtung durch das sehr hügelige, östliche Guizhou. Die Fleißaufgaben-Auffahrt nach Ping’An war der Anfang. Zhaoxing ist unser nächstes Ziel, ein wunderschöner Ort ganz aus Holzhäusern gebaut und von Dong-Leuten bewohnt. Die 100 km dorthin müssen wir auf zwei Etappen aufteilen und glücklicherweise ist ziemlich genau in der Mitte ein Ort, Dudong.
Schon kurz nach dem Aufbruch erreichen wir Guangdongzhen, nicht die große Provinz gleichen Namens, sondern ein kleines Dorf mit sehr schönen altern Holzhäusern. Im Gegensatz zu dem nur wenige km entfernten Chengyang ist es jedoch vom Tourismus kaum betroffen. Wir sehen nur Einheimische am Dorfplatz, die ein gemeinsames Neujahrsessen zu sich nehmen.
Dann gehts hinauf, von 300 auf ca. 750 m, sehr steil, dann nach einer Zwischenabfahrt wieder von 300
auf knapp 900 m Höhe. Es ist eine super schöne Landschaft, viel Terrassenfelder, zum Teil mit Gemüse bewirtschaftet, später im Frühjahr wird wohl Reis angebaut. Zwischendurch immer wieder mal Teeberge, zum Teil in extrem steilem Gelände, wie kann man sich da nur bewegen?
Auf der zweiten Abfahrt scheint die Straße plötzlich zu „versiegen“. In einem Dorf gibt es nur noch einen schmalen Weg, zum Teil Stufen, allerdings weisen uns die Bewohner schon in die richtige Richtung und nach 2 km gehts wieder auf eine Straße. Wir erreichen Dudong.
Das haut uns aber fast um. Ein grässliger, verdreckter Ort. Wir finden nur ein Hotel in der Stadt, müssen wohl oder übel hier einchecken. Die Leute nehmen uns auch noch 100 Maos für ein dreckiges Loch ab. Aber es nutzt nichts und ich werde auf meiner Reise noch öfter so absteigen müssen. Im Supermarkt holen wir Nudelsuppe und Zutaten und kochen uns die Fertigsuppe selbst auf.
Auch am nächsten Tag stehen zwei Auffahrten auf dem Weg nach Zhaoxing an. Einmal sofort von Dudong, dann eine lange sehr schöne Abfahrt, wenig steil und man hat Zeit zu schauen und zu genießen.
Die zweite Auffahrt führt uns an Terrassenfeldern entlang, und je höher wir kommen um so mehr bilden Nadelbäume die Vegetation.
Auf etwa 750 m erreichen wir den Sattel und es sind nur noch 7 km Downhill bis Zhaoxing.
Wir checken in der Indigo Lodge ein, nicht das billigste, aber das Hotel in dem wir schon vor vier Jahren waren. Es ist ein Traum zum Vergleich was wir in der Nacht zuvor hatten.
Zhaoxing hat sich natürlich auch verändert die letzten vier Jahre. Es ist nun überlaufen mit Menschen und schon sehr kommerzialisiert. Allerdings, wenn man die Hauptstraße verläßt und in die zweite Reihe geht, ist es auch da fast leer.
An den Dong-Türmen, besonders an denen etwas weiter im Hintergrund, sieht man nur die alten Einheimischen, die dort von früh bis abends dem Feuer zusehen, a bissl ratschen und beratschlagen und auf den Abend warten.
Wir genießen also doch die gute Infrastruktur eines Touristenortes und sehen über die vielen Leute in der Hauptstraße hinweg. Ich kann natürlich viel fotographieren, vor allem Porträts der Einheimischen, aber auch beim Verrichten ihrer Tätigkeiten.
Manche Anblicke sind schon gewöhnungsbedürftig: Der halbe Hund auf der Fleischtheke, die komplette Ziege, die gerade mit einem Flammwerfer „rasiert“ und haltbar gemacht wird, die Schweineköpfe ohne Haut aber noch mit den Augen, die einen anstarren. Nix für Ibo, durch diese Gassen zu gehen.

So geht auch der radlfreie nächste Tag rum, wir bummeln durch das Dorf, Ibo kauft sich einen schönen Tischläufer, wir probieren hier und dort kleine Häppchen und machen uns einen ruhigen Nachmittag.
Mein Rad hat a bissl gelitten und braucht a bissl Reparieren. Den gebrochenen Radlständer neu befestigen, die Kamerahalterung per Kabelbinder reparieren, die gebrochene Fahnenhalterung umbauen, aber vor allem die Bremsbeläge auswechseln, das Schleifen war schon nicht mehr zu überhören.

Die nächsten Etappen von Zhaoxing – Congjiang – Rongjiang – Sandu waren wieder saukalt, nur 4 bis 8 Grad, gefühlt eher weniger und von manchem Berggipfel schaute der Schnee runter. Wenigstens bleibt uns bis auf kurze Strecken meistens Regen erspart. Wir wählen die G321 und es geht überwiegend in Flusstälern entlang. Es ist wenig Verkehr, die Tage nach Chinese New Year sind ja arbeitsfrei und es reisen nicht so viele Menschen wie in den städtischen Provinzen im Osten. Wir sehen viele Bergdörfer und Straßenszenen und es sind sehr schöne Fahrtage.
Beeindruckend der Wasserbüffel, der von einer Gruppe Männer geführt wird. Wir wärmen uns an einem Festplatz auf, an dem Männer gerade das Feuer für ein großes Gelage anheizen. Wir werden auch eingeladen, wäre nett, aber wir können nicht zwei Stunden warten, sonst erreichen wir das Hotel in der nächsten Stadt nicht mehr.

Zwischen Rongjiang und Sandu scheint die G321 eine Baustelle zu sein, das GPS zeigt kein Durchkommen, allerdings schon für Fußgänger. Wir riskieren diese Route, ist es doch die einzige Straße, die uns es ermöglicht an einem Tag die etwa 110 km zu bewältigen. Es wurde eine phantastische Fahrt, die komplette Strecke den Duliu River entlang. Wunderschöne Landschaft mit vielen Holzdörfern, Bambushainen entlang des Wassers und immer wieder Begegnungen mit Menschen.
Mittags eine Suppe in einem Laden, der Besitzer hat uns in seine Wohnstube gebeten als er gesehen hat wie durchgefroren wir waren. Später dann eine Einladung bei einer Art Speisenweihe, wie es sie bei uns zu Ostern gibt. Die Frauen waren in Tracht, welche wir aber nicht zuordnen konnten.
Im Nu wurde uns ein rot gefärbtes Ei in einem Fadennetz um den Hals gehängt. Wir bekamen einen faustgroßen Batzen Reis in die Hand gedrückt, dazu Schweinefleich und eine Schale Bai Jiu, weißen Wein, wie die Chinesen den klaren Schnaps nennen.
Großes Hallo, wir wurden 1000 mal fotografiert und waren natürlich besondere Gäste.
Beim Abschied bekam ich noch einen Spieß mit Hendl aufgedrängt, wir sollten ja nicht verhungern unterwegs.
Kurz darauf dann die Erklärung warum das GPS die Durchfahrt nicht angezeigt hat. Die Straße war von einem Erdrutsch verschüttet. Zur Not wäre es mit den Rädern schon gegangen, über den Schuttkegel zu steigen, aber einfacher war es einer Ausweichstrecke zu folgen. Zufällig gab es kurz vor der Blockade eine Brücke und ein Stück danach haben die Bewohner des Tales einen Damm über den Fluß gebaut, so dass man wieder zurück auf die richtige Strassenseite kommen konnte.
Einige km weiter die nächste Blockade, eine Brücke wurde erneuert. Hier konnten wir nach oben ausweichen, über eine steile Umleitung, wir mussten die Räder schieben. Aber dann gings weiter.
Wir waren gut drauf heute, aber nach über 100 km waren die letzten km bis Sandu dann doch zäh.

Sandu – Duyun – Changming – Huaxi, so die weiteren Tagesabschnitte: Geprägt von Nieselregen, Nebel und steilen Bergabschnitten. Diese Region ist gar nicht mal so weit von der Hauptstadt Guizhous, Guiyang entfernt, aber doch sehr abgelegen und wenig erschlossen.
Da erscheint es schon bizarr, wenn plötzlich mit einem vorausgehenden Brummen und Sausen ein Schnellzug mit 300 km/h aus einer Tunnelröhre herausschießt und in die nächste verschwindet.
Die steilen Auffahrten zehren auch schnell an Ibo’s Akkus und natürlich auch an meinen Beinen.
Wir nutzen offene Feuer bei den Einheimischen oder auch „warme Stuben“ eines lokalen Fast Food Restaurants zum Aufwärmen… aber abends erreichten wir immer unsere Tagesziele.

Der letzte dieser Abschnitte, von Changming nach Huaxi sollte dann wieder eine Überraschung bringen.
Wir befinden uns plötzlich auf einer nagelneuen, noch nicht geöffneten Straße mit 2×4 Spuren. Eine Autobahn pur und wir sind alleine, bis auf ein paar einzelne Autos.
Nach fünf km ist der Ausbau zu Ende und es geht nahtlos in eine Unendlich-Baustelle über. 12 km gehts durch Schlamm und Dreck, über Stock und Stein…. große Baustellenlaster sind auch noch unterwegs und Bagger hämmern Gestein aus den Hängen. Man kann kaum glauben, dass so ein Gelände mit Radln fahrbar ist, noch dazu mit schwer beladenen. Wir finden uns damit ab, einmal begonnen muss man durch. Zur Erklärung: In China sind Baustellen oft 50 bis 100 km lang und es gibt keine Umleitungen, der gesamte Verkehr wird durchgeschleust.
Ibo fährt super, ohne Umfaller, obwohl sie später gesteht Angst davor gehabt zu haben. Sie schafft es sogar ihr Schaltwerk komplett sauber zu behalten. Respekt!
Nach der Schlammschlacht gehts noch weitere 10 km auf schlechten Straßen, die letzten 15 aber wieder auf neuen Schnellstraßen mit Tunneln. Das Abspritzen der Räder in einer Autowaschanlage lohnt sich wie nie zuvor. Abends kommen wir gerade noch vor Dunkelheit an, mit den ersten Regentropfen des Tages und – schon wieder – einem Plattfuss an Ibo’s (diesesmal) Vorderrad.
Weitere Überraschung des Abends: Erstmals seit 6 Wochen hatten wir eine Personenwaage im Hotelzimmer. Jetzt weiß ich warum das Treten plötzlich viel leichter geht. Ich habe bereits 6 kg abgenommen.

Ruhe- und Futtertag! Ibo: „Du mußt mehr essen … „!

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